Donnerstag, 24. Oktober 2013

Rathaus sieht keine Notwendigkeit für Tramausbau

Obwohl sie längst verschwunden sein sollten, gehören beide weiter zu Potsdam: das Interhotel und die Tatra-Bahnen - und das wohl noch auf lange Zeit.

Tolle Ideen für den Ausbau von Potsdams Straßenbahnnetz gibt es viele, einzig die Umsetzung scheint das Rat-haus nicht zu interessieren. Wie die MAZ bereits am Mittwoch berichtete, hatten Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, der Vize-Landrat Christian Stein und die Bürgermeister der Gemeinden Michendorf, Schwielowsee, Nuthetal, Stahnsdorf und Werder am Dienstag 50 Vorschläge für den Verkehr in Potsdam und Potsdam-Mittelmark präsentiert. Vor allem ging es dabei um mehr Parkplätze, Radwege und zusätzliche Busse.

Der Ausbau der Straßenbahn hingegen gehört nur zu den „mittleren“ oder gar „niedrigen“ Prioritäten der Stadtpolitik. Zwar hatte Jakobs‘ eigene Fraktion noch vor wenigen Wochen Vorschläge für einen Überland-Ausbau der Straßenbahn gemacht, dass diese jedoch realisiert werden könnten, ist nun wieder mehr als fraglich. Doch nicht nur der Ausbau steht in Frage, auch die weitere Modernisierung des Wagenparks ist nicht geplant. Auch nach Ankunft der letzten Variobahn wird es weiterhin einen Tatra-Einsatz in Potsdam geben, so die MAZ. Zwar könnte man annehmen, die hochflurigen Fahrzeuge seien bei den Fahrgästen unbeliebt, das Gegenteil jedoch ist der Fall: sie sind die einzigen Fahrzeuge, die auch in der HVZ mit dem Passagieransturm fertig werden. Alle später getätigten Neuanschaffungen zeugen deutlich von der Kurzsichtigkeit der Stadtpolitik in Bezug auf die Entwicklung des ÖPNV in Potsdam: mit steigenden Fahrgastzahlen werden die bestellten Wagen immer kleiner.

Nachtrag vom 25.10.2013:

Hier die Stellungnahme des Deutschen Bahnkundenverbandes:

Regionalverband Potsdam-Mittelmark zu Vorschlägen der Landeshauptstadt und des Landkreises PM

Zu den Vorschlägen der Landeshauptstadt Potsdam und dem Landkreis Potsdam-Mittelmark, wie die Verkehrsprobleme des Potsdamer Raumes in den Griff zu kriegen wären, erklärt der Deutsche Bahnkunden-Verband Potsdam-Mittelmark:
Die vorgetragenen Ansätze, mit denen die Verkehrsprobleme in der Stadt Potsdam und deren Umland gelöst werden sollen, zeugen gleichermaßen von wenig Sachkenntnis und fehlendem politischen Handlungswillen, in Teilen sogar von Verantwortungslosigkeit.

Einen wirklichen verkehrlichen Nutzen hat keine der erdachten Maßnahmen. Wem nutzt ein Expressbus, der sich mit im Stau anstellt. Und wem nutzt ein P+R-Parkplatz, der Millionen kostet und städtische Fläche verbraucht, damit nur ein geringer Prozentsatz der Fahrgäste mit dem eigenen PKW bis an den Bahnhof fahren kann? Um die Gesamtsituation zu verbessern, sind umfangreiche Investitionen in den schienengebundenen Nahverkehr unerlässlich. In diesem Punkt wird jedoch zu Protokoll gegeben, dass der Ausbau des Potsdamer Straßenbahnnetzes nicht befürwortet wird.
Ob die tatsächlichen Probleme einfach verkannt werden oder nicht erkannt werden wollen, bleibt das Geheimnis der Mitwirkenden. Ein Handlungsmotiv lässt sich jedoch aus Sicht des DBV den betreffenden Akteuren unterstellen: Alle vorgebrachten Maßnahmenvorschläge haben gemeinsam, dass sie verhältnismäßig wenig Investitionen benötigen und sich schnell und für den Bürger sichtbar umsetzen lassen. Grüßt da die kommende Kommunalwahl oder Landtagswahl?

Sonntag, 6. Oktober 2013

Mit der Straßenbahn durch Naumburg

Ein Wochenendbesuch in Weimar ermöglichte auch eine Abstecher zur kleinsten Straßenbahn Deutschlands, der Straßenbahn in Naumburg an der Saale. Die Straßenbahn wurde 1892 als Dampfstraßenbahn eröffnet und verkehrt sei 1907 elektrisch. Die einzige Linie der Stadt fuhr seit 1914 als Ring um die Stadt, wobei zeitweise in beiden Richtungen verkehrt wurde und so auch zwei Liniennummern Verwendung fanden (1 und 2). Nach mehrfachen Unterbrechungen des Rings und Verkehrseinstellungen, musste die kleine Straßenbahn 1991/92 den Betrieb einstellen. Engagierten Bürgern ist es zu verdanken, dass heute wieder auf einem 2,5 km langen Teilstück (der Ring war 5,4 km lang) gefahren kann. Beim Besuch am 06.10.2013 verkehrte der Triebwagen 37, der 1959 für die Straßenbahn in Stralsund gebaut worden war. Er trug dort die Nummer 15. 1966, nach Einstellung der Straßenbahn in der Hansestadt, kam der Wagen nach Gera und war dort bis 1973 eingesetzt (Nr. 150). 1973 wurde er nach Görlitz abgegeben (Nr. 20) und landete 1992 in Jena. Seit 2003 ist der Wagen in Naumburg und entspricht in seinem Aussehen nun wieder weitestgehend dem Erstzustand. Nun also ein paar Eindrücke von einem verregneten Sonntag:


Kurz vor der Jahrtausendwende wurde der Bahnhofsvorplatz saniert und dabei die Straßenbahngleise entfernt. Die Tram endet nun rund 200m vor dem Bahnhof.


Auf seinem Weg zur 2,4 km entfernten Endstation passiert TW 37 die Gründerzeithäuser in der Bahnhofstraße ...

... die im Bereich der Kurve in die Bergstraße mündet.

Im Bereich der Haltestelle "Jägerplatz", wo die Straßenbahn heute an der Straßenseite verkehrt, trifft man noch auf einige der zahlreichen Gleisreste in der Stadt. Hier befand sich früher eine Ausweiche.

Das Depot am Marientor diente schon der Dampfstraßenbahn als Behausung. Zwischen März und Oktober können sich Interessierte jeden Sonntag um 14:15 Uhr durch die Halle führen lassen. Dazu reichte diesmal die Zeit leider nicht...

... für einen Blick durch das Tor jedoch schon. Zwei ehemalige Reko-TW der Straßenbahn Jena gehören seit 2000/2001 zum Bestand der Naumburger Straßenbahn. Hier TW 50...

Im hinteren Teil der Freifläche stehen TW 36, ebenfalls ex Jena und BW 19 (Reko, ex Jena). Der Stromabnehmer über BW 19 gehört zum Gelenkwagen 202, den man 1999 aus Gotha übernommen hatte.

TW 37 passiert den Heinrich-von-Stephan-Platz am Marientor ...

... und erreicht dann die Haltestelle Poststraße.

Vor dem ehemaligen Haus des FDGB (die ursprüngliche Nutzung habe ich auf die Schnelle nicht ermitteln können) präsentiert sich TW 37. In wenigen Augenblicken hat er die Endstation Vogelwiese erreicht.
An dieser Stelle trennen nur wenige Meter die in Betrieb befindliche Gleisanlage und die Gleise, die weiter zum Salztor führen würden (dem nächsten Etappenziel für den Wiederaufbau der Naumburger Ringbahn).

Zunächst ist hier jedoch Schluss und die Zielbeschilderung schon geändert. Zurück geht es zum Hauptbahnhof.



Wieder am Jägerplatz angekommen.



Nachdem die Hauptattraktion des Wochenendes nun abgearbeitet wurde, hier noch ein kleiner Einwurf zu Weimar: von 1899 bis 1937 hatte auch die Goethestadt eine elektrische Straßenbahn, von der lediglich noch das Depot erhalten ist. Das Gelände mit der Wagenhalle und dem E-Werk wird heute von verschiedenen Vereinen und einem Kino genutzt. Auf dem Gelände findet sich auch der ehemalige Jenaer Beiwagen 160 wieder. Er wurde 1960 für Plauen gebaut und trug dort die Nummer 3. 1973 gelangte er nach Görlitz (71) und 1992 nach Jena. Im Jhare 2004 verschlug es ihn dann nach Weimar.




Die ehemalige Wagenhalle der Weimarer Straßenbahn.