Donnerstag, 8. Januar 2015

Urlaubsgrüße aus Portugal - Teil 1: Porto

Den Jahreswechsel habe ich für eine kleine Reise in den Süden Europas genutzt und mir die Straßenbahnbetriebe von Porto und Lissabon angesehen, die auch über Straßenbahnfankreise hinaus bekannt sind. Auch Sintra und Coimbra habe ich bereist, beide Betriebe (Straßenbahn bzw. O-Bus) waren jedoch leider nicht in Betrieb. Es folgt nun der Bericht über die klassische Straßenbahn in der drittgrößten portugiesischen Stadt Porto. Die moderne Stadtbahn wird Thema des nächsten Beitrags sein.

Die Straßenbahn von Porto ist heute kaum mehr als ein Rumpfstück eines einstmals großen Netzes, welches 1949 mit 81 Kilometern und mehr als 20 Linien seine größte Ausbaustufe erreichte. Schon 1895, als erste Straßenbahn Portugals stieg man auf elektrischen Betrieb um. Zuvor hatte es seit 1872 „Huf-Antrieb“ gegeben, jedoch nicht wie bei uns üblich mit Pferden sondern mit Maultieren. Da der Verkehrsbetrieb zum Antrieb seiner Wagen auf die Verstromung von heimischer Kohle setzte, die in nahegelegenen Kohleminen abgebaut wurde, gab es einen erheblichen Straßenbahngüterverkehr. Die Tram fuhr ihre Kohle selbst von den Gruben in São Pedro da Cova mit rund 30 speziell konstruierten Wagen zum Betriebshof in Massarelos. In dem 1915 erbauten Gebäude, in dem sich heute das (derzeit wegen Umbaus leider geschlossene) Museum befindet, befand sich das Kraftwerk der Straßenbahn. Auch für den Transport der berühmten portugiesischen Sardinen gab es spezielle Wagen und neben der Post nutzen auch Dutzende andere Kunden das weitverzweigte Netz für Gütertransporte.

In den 1960er Jahren begann das langsame Sterben der Eléctrico, als die Linien eine nach der anderen durch Busse ersetzt wurden. Waren auf 1958 auf den 81 Gleiskilometern noch 192 Wagen unterwegs, so waren es 1968 bereits nur noch 127 auf 38 Kilometern. 1978 war das Netz auf 21 Kilometer und 84 Wagen geschrumpft und bis 1996 war man bei 14 Kilometern und 15 Wagen angekommen. Neue Fahrzeuge hatten die Verkehrsbetriebe 1952 letztmalig angeschafft doch zum großen Teil war das eingesetzte Wagenmaterial wesentlich älter.

Nach Stilllegung fast aller Linien blieb im Jahre 1996 nur noch die Linie 18 übrig, die im 35-Minutentakt mit nur drei Wagen zwischen Boavista, Foz do Douro und Carmo verkehrte. Ende der 90er Jahre begann jedoch in der Stadtverwaltung Portos ein Umdenken, hatte man doch den touristischen Wert der verbliebenen Linie mit ihren historischen Zweiachsern erkannt. Im Rahmen eines Stadtsanierungsprogrammes begann man mit der Reaktivierung von bereits stillgelegten Streckenteilen.

1999 nahm die fünf Jahre zuvor stillgelegte Linie 1 auf dem Teilstück zwischen Infante und dem Straßenbahndepot in Massarelos wieder auf und wurde 2005 bis nach Passeio Alegre (Foz) verlängert. Seit 2007 gibt es wieder eine durchgehende Führung. Ebenfalls seit 2007 erreicht die Straßenbahn auch wieder das Stadtzentrum von Porto. Nach einer Unterbrechung von 30 Jahren rollt die neu geschaffene Linie 22 von der Endstation Carmo kommend über den Praça da Liberdade bis nach Batalha. Mit diesen drei Linien hat der Straßenbahnausbau in Porto erst einmal sein Ende gefunden. Zwar gibt es weitere Ausbaupläne, die finanzielle Situation lässt eine Realisierung in absehbarer Zeit jedoch kaum zu.

Die zum großen Teil eingleisig trassierten Strecken wurden zum Zeitpunkt meines Besuchs im Dezember von jeweils einem (Linie 18 und 22) bzw. zwei Wagen (Linie 1) bedient im Halbstundentakt. Die Linie 18 bildet das verbindende Element im Netz. An ihren Endstationen besteht jeweils Anschluss zu Wagen der anderen Linien.

Bei den eingesetzten Wagen handelte es sich um Fahrzeuge der Typen Brill 23 und Brill 28. Die Geschichte dieser Fahrzeuge ist relativ kompliziert, da sie oft umgebaut und neu nummeriert wurden. Man kann jedoch festhalten, dass es sich bei den Wagen von Typ Brill 23 um zwischen 1910 und 1912 gebaute Zweiachser handelt, von denen später ein Teil in eigener Werkstatt so verbreitert wurde, dass statt der bisherigen 2+1 eine 2+2 Bestuhlung eingebaut werden konnte. Jedoch wurden nicht nur Brill 23 zu den dann als Brill 28 bezeichneten Wagen erweitert, sondern auch gänzlich neue, identisch aussehende Wagen neu konstruiert. Heute ist kaum noch nachvollziehbar, welcher Wagen neu gebaut wurde und welcher ein Umbau aus einem Brill 23 darstellt.  Deutlich lässt sich jedoch von außen der Unterschied im Wagenkasten ausmachen, der hinter der Plattform unterschiedlich breit ausfällt.

Wir beginnen unseren Rundgang durch Porto an der Praça da Batalha die seit 2007 wieder von der Straßenbahn angefahren wird. Der einzige Brill-Wagen mit schmalem Wagenkasten, TW 131, begegnet uns vor der Igreja de Santo Ildefonso. Die katholische Kirche im Barockstil wurde von 1709-1739 errichtet und trägt an der Fassade die typischen Azulejo-Fliesen. 

Wenige Meter hinter der Praça befindet sich auch die Stumpfendstelle Batalha, die 131 hier erreicht. An der zweigleisig ausgeführten Endstelle besteht direkter Anschluss an den seit 2004 wieder verkehrenden Funicular dos Guindais. Die kleine Bergbahn war zuvor mehr als 100 Jahre (!) stillgelegt.

Nachdem 131 an der Bergstation des Funicular dos Guindais gewendet hat, kommt er uns hier am Nationaltheater wieder entgegen. 


Die zentrale Rua dos Clérigos  ist seit 2007 wieder die Paradestrecke der Straßenbahn Porto. Wagen 131 begegnet uns vor einem der Wahrzeichen der Stadt, der Mitte des 18 Jh. erbauten Igreja dos Clérigos. Der 76 Meter hohe Glockenturm ist der höchste Portugals. 

War 131 bisher auf der Linie 22 unterwegs, so hat er am Nachmittag des 27.12.2014 auf die Linie 18 gewechselt. Im Abendlicht präsentiert er sich vor dem Hospital de Santo António kurz vor der Endstation Carmo.

Rund um das genannte Krankenhaus führt eine große Schleife. Nachdem 131 die Endstation Carmo angefahren hat, macht er sich nun wieder auf den Weg hinunter nach Massarelos, wo er vor dem Straßenbahnhof enden wird.

Tatsächlich liegt Massarelos am Ufer des Rio Douro, auf den man aus den Fenstern von 131 einen wunderbaren Blick hat. Hinter der Mauer geht es jedenfalls steil bergab. 
Der Wagen ist übrigens falsch beschildert. Die Fahrer wechseln die Linienschilder nie aus, so dass wegen der Schleifenfahrt an einem Ende der Linie 22 (Carmo) jede zweite Fahrt falsch beschildert ist.

An der Endtstation Carmo haben die Linien 18 und 22 fahrplanmäßig Anschluß. Hier begegnet 131 seinem Bruder 220. Wir machen uns nun jedoch auf den Weg zur Linie 1 ...

... die unmittelbar unterhalb der Igreja São Francisco aus dem 14. Jahrhundert beginnt. Wegen ihrer überschwänglichen Golddekoration aus dem 17./18. Jahrhundert im Inneren wird sie auch als „Goldene Kirche“ bezeichnet. Ein bunter Knallbonbon wartet hier auf seine Fahrt zum rund fünf Kilometer entferten Foz do Douro (Passeio Alegre).

Unmittelbar nach der Ausfahrt aus der Endstelle Infante passiert 205 hier ein kleines Café, welches den passenden Namen "Tram" trägt (rechts angeschnitten). Überhaupt sind die Museumsbahnen Portugals überall präsent und längst auch ein Symbol des Landes geworden.

Während wir uns zu Fuß auf den Weg nach Passeio Alegre machen, ist 205 natürlich schnelle. Er kommt uns hier in der Nähe des Straßenbahndepots in Massarelos bereits wieder auf dem Rückweg nach Infante entgegen.

Schnell umgedreht und noch ein Nachschuss...

Wiederum auf der Rückfahrt nach Infante treffen wir 205, der parallel zum Ufer des Rio do Douro eine Kaserne des portugiesischen Militärs passiert.

Entgegen den Linien 18 und 22, auf denen jeweils nur ein Wagen unterwegs ist, rollen auf der Linie 1 zwei Brills. Auf einem kleinen autofreien Stück der Uferpromenade kommt uns hier Wagen 213 entgegen.

Und da ist er auch schon wieder zurück. An der Haltestelle Bicalho die zugleich eine Ausweichstelle ist, posiert 213 vor der beeindruckenden Ponte de Arrábida. Als die Bogenbrücke 1963 fertiggestellt wurde, war sie mit 270 m Spannweite die größte Stahlbeton-Bogenbrücke der Welt. Der Fahrbahnträger liegt 70 m über dem Wasserspiegel.

Wieder auf dem Weg nach Passeio Alegre treffen wir 213  kurz hinter dem Largo de António Cálem ...

 ... und ein letzter Blick auf 213 bei der Ausfahrt aus der Endstelle Passeio Alegre Richtung Infante.

 Zurück in Massarelos wartet bereits 216 auf Fahrgäste nach Carmo. Besonders diese Linien wird neben Touristen auch von Einheimischen genutzt. Sie bietet eine staufreie Verbindung in das Stadtzentrum.

Abfahrt Richtung Carmo - Wagen 216 vor der Igreja Matriz de Massarelos. Während die Linie 18 hier links abbiegt, würde die Linie 1 geradeaus fahren.

Auch auf der Linie 22 wird 216 eingesetzt. Unmittelbar am São Bento, dem zentralen Bahnhof Portos rollt er hinauf nach Batalha.

Steil geht es  hinauf nach Batalha. Für die alten Wagen ist das jedoch kein Problem.

Nun noch ein paar Impressionen von der zentralen Haltestelle Carmo. Hier 220 bei der Einfahrt in dieselbe ...

 ... und, nach erfolgtem Anschluss an Linie 18, bei der Ausfahrt.

Kurz vor der Haltestelle Carmo befindet sich die Praça de Gomes Teixeira, die hier 220 erreicht ...

... und die von der prachtvollen Igreja do Carmo dominiert wird. Die zwischen 1756 und 1768 erbaute Barockkirche zeigt ein beeindruckendes Bild aus Azulejo-Fliesen an der Seitenfassade.

 Zwischen dem Justizpalast (links) und dem Hospital Geral de Santo António begegnen wir letztmalig dem Brill 220 auf seiner Fahrt Richtung Carmo.

Noch ein kurzer Blick in die Wagenhalle des Betriebshofes in Massarelos. Da das Straßenbahnmuseum zum Zeitpunkt des Besuches wegen Umbaus geschlossen war, waren alle historischen Wagen in die Wagenhalle ausgelagert und leider nicht zugänglich. Daher hier nur ein paar Schnappschüsse.

Wagen 100 ist ein Nachbau eines offenen Zweiachsers aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Werkstatt des Verkehrsbetriebes hat den Wagen 1995 gebaut. Der originale Wagen brannte 1928 bei einem Feuer im Betriebshof Boavista ab. Daneben lugt 269 hervor, der noch bis 1990 im regulären Einsatz stand. Diese in den 30er Jahren gebaute vierachsige Fahrzeugreihe war anfangs ebenfalls offen und als "Fumista" (Raucherwagen) bekannt.

 Neben dem Linienwagen 216 präsentiert sich Wagen 191. Beide Wagen sind vom Typ Brill 28, 191 wurde jedoch in den Ursprungszustand rekonstruiert. Beeindruckend sind die amerikanischen Fangkörbe.

Zuletzt ein Bild vom Hilfsgeräte- und Rangierwagen 76. Hinter ihm ist auch der Turmwagen 49 zu sehen. Insgesamt verfügt das Museum über rund 30 historische Straßenbahnwagen, von denen ein Teil jedes Jahr an einem Mai-Wochenende in einer Parade durch die Stadt gefahren wird. Im Sommer sind Teile des Museumswagenparks auch auf den Linien im Einsatz.


Wer mehr über die Straßenbahn von Porto erfahren will, sollte sich die nachfolgenden Links zu Gemüte führen, die zugleich als Quellen für den Text gedient haben.

Umfangreiche Informationen zu Wagenpark und Geschichte:
http://www.altrinchamfc.co.uk/opotrams.htm
http://tram-porto.ernstkers.nl/Index.html

Eine detaillierte Wagenparkliste: 
http://www.pospichal.net/lokstatistik/99835-porto5.htm

Netzplan 1968 / 1995:
http://aportanobre.blogspot.de/2013/06/rede-de-traccao-electrica-na-cidade-do.html
http://aportanobre.blogspot.de/2013/05/rede-de-traccao-electrica-na-cidade-do.html

Prachtvolle Bilder aus dem Jahre 1974:
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,5780478
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,5781429
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,5781537
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,5781088
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,5780981

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