Freitag, 28. Februar 2014

Eine Tram- Rundfahrt durch Szczeczin

Heute gibt es mal wieder einen Blick über den Potsdamer Tellerrand. Diesmal geht es nach Szczeczin in Polen.

Seit 1879 verkehrt in Szczeczin eine Straßenbahn. Anfangs von Pferden gezogen wurde die Bahn ab 1897 von der AEG elektrifiziert. Heute verkehren auf dem 110 km langen Gleisnetz und den üblicherweise 12 Linien sage und schreibe 11(!) verschiedene Wagentypen, die sich allerdings in fünf Grundtypen unterteilen lassen. Der am häufigsten vertretene Wagentyp sind die 73 zwischen 2006 und 2013 aus Berlin übernommenen KT4DtM. Sie werden seit dem letzten Sommer auch in Doppeltraktion gefahren. Weitere 70 Fahrzeuge gehören zum polnischen Standarttyp 105N, der hier in insgesamt vier Modifikationen verkehrt und meist in Traktion eingesetzt wird. Zusätzlich verkehren auch 14 modernisierte 105Na (bezeichnet als ModerusAlfa). Die 52 ehemaligen Berliner T6A2M, die Szczeczin zwischen 2007 und 2010 erreichten sind im Gegensatz zu einigen KT4D noch immer in der BVG-Lackierung unterwegs. Viele der führenden Triebwagen haben ihre Frontkupplung inzwischen verloren und auch fehlten bei vereinzelten geführten Triebwagen die Stromabnehmer.  Das Niederflurzeitalter hat 2011 mit der Lieferung der Pesa Swing Einzug gehalten. In zwei Varianten, die sich durch die Wagenlänge unterscheiden, verkehren inzwischen mindestens 22 der geplanten 28 Exemplare.

Während des Besuches am 24.02.2014 war die Hauttrasse durch die Al. Piastów, die sonst von vier der 12 Linien genutzt wird, wegen umfangreicher Gleisbauarbeiten komplett außer Betrieb. Die Linie 4 war gänzlich eingestellt und viele andere umgeleitet. Hier ein paar Bilder:

Beginnen wir unseren Rundgang durch Szczeczin am Plac Rodła, an dem, wenn ich richtig gezählt habe, alle Straßenbahnlinien zusammentreffen. Es handelt sich um eine große Kreuzung, vor deren Einmündung sich jeweils die gleichnamige Haltestelle befindet. Von der östlichen Seite kommen uns hier KT4D 139 und der in den neuen Szczecziner Hausfarben lackierte 107 entgegen. 

 Unterdessen passiert der Zug aus T6A2 217+218 den Platz von Norden kommend.

Die Haltestelle auf der westlichen Seite verlässt der Zug aus 233 und 234 auf seiner Fahrt Richtung Bahnhof Niebuszewo.

An der Südseite des Platzes Rodła wartet der 105Na 736 mit 737 im Schlepptau auf die Abfahrt ebenfalls in Richtung Niebuszewo.

 Hier begegnet uns der Zug aus 738 und 751 auf der Fahrt nach Gumieńce.

 Vom kurzen Pesa-Typ ist Wagen 809. Er wurde im Januar 2013 in Betrieb genommen.

Wir verlassen nun den Plac Rodła und machen uns auf in Richtung Norden. In der Aleja Wyzwolenia (Allee der Befreiung) begegnen wir an der Haltestelle Rayskiego erneut dem Zug aus 736 und 737.

Nur wenige Meter entfernt kommt uns der Zug aus zwei ModerusAlfa mit den Nummern 505 und 506 entgegen. Er passiert gerade die Wincent-Witos-Platz.

Noch ein paar Meter vor dem Platz ein KT4D Gespann (166+167) neben der Baustelle für den neuen Hanza-Turm. Die historische Werbung am Giebel war jahrzehntelang durch einen Plattenbau verdeckt.

Es ist zwar nicht auf den ersten Blick erkennbar, doch auch dieser Zug besteht aus polnischen Standartwagen vom Typ 105Na. Diese Wagen wurden zwischen 2000 und 2007 von Alstom Konstal auf Basis der 105Na nur für Warszawa und Szczeczin gebaut. Hier das Gespann aus 784 und 785 in der Adam-Asnyk-Straße und der Haltestelle Niemcewicza. 

In einem vom Krieg weitgehend verschont gebliebenen Wohngebiet mit Bauten der Moderne liegt der Bahnhof Niebuszewo. Hier befindet sich auch die Endstation der Linien 2 und 12, die als Blockumfahrung ausgeführt ist. KT4D 156 wartet auf seine Abfahrt.

Die Haltestelle in der Boguchwały-Straße ist ebenfalls Teil der Blockumfahrung. Hier der T6A2-Zug aus 221 und 222.

Wir verlassen den Norden und machen uns kurz zurück auf den Weg in das Zentrum. In diesem Teil der Befreiungs-Allee ist die Bebauung recht dicht und Altbauten wechseln ständig mit Neubauten. Der Zug aus 235 und 236 wartet den Fahrgastwechsels an der Haltestelle Odzieżowa ab.
  
Vor einem Bankenhochhaus präsentiert sich KT4D 107 an der Kreuzung der Pilsudkij- und Matejki-Straßen.

Und noch einmal der zentrale Rodła-Platz. Hier ein KT4D als Fahrschulwagen ...


... und der T6A2-Zug aus 1205+1206 auf der Linie 11 zur Ludowa-Straße.

Eben dort sind wir jetzt auch angekommen. Die mehrgleisige Wendschleife deutet auf die früher große Bedeutung dieser Station hin. Hier stiegen täglich tausende Arbeiter der Werft Stocznia Szczeczinska aus. Heute ist die Firma pleite. Während der Zug aus 738 und 751 auf Fahrgäste wartet ...

... erreicht eine weitere 105Na-Traktion die Schleife. 1027+1028 enden hier jedoch nicht. Sie fahren noch einige Kilometer weiter nach Gocław.

Vor der 1837 erbauten und heute leider ungenuzten alten Mühle (Stara Olejarnia) in der Dębogórska Straße treffen wir auf den Zug aus 239 und 240. 

 Nur wenige Meter weiter trifft dieser Zug auf ein weiteres Pärchen aus ehemaligen Berlinern. 241 und 242 befinden sich auf Fahrschulfahrt.

Der gleiche Zug unterhalb der alten Mühle. Die ganze städtische Szenerie ist beschränkt auf wenige Häuser. Diese jedoch lassen den Eindruck einer Industriestadt um die Jahrhundertwende entstehen.

 Auch 151 passiert die Szenerie. Wir hatten ihn zuvor bereits auf Fahrschulfahrt getroffen.

 So reger Verkehr herrscht in der Wiszesła-Straße nicht wegen der Linienwagen. Das Depot (auf Polnisch "Zajezdnia") Golęcin befindet sich direkt im Rücken des Fotografen ...

... genau wie dieses Prachtstück deutsch-polnischen Kulturaustauschs. Mit Baujahr 1962 gehört der historische Konstal 4N zu den letzten produzierten Wagen seiner Art. Seine Herkunft von den deutschen KSW kann er nur schwer verbergen.

Insgesamt hat Szczeczin noch 11 dieser Wagen im Bestand. Drei davon werden als historische Wagen geführt (Nr. 286 als Exponat im städtischen Technikmuseum) und die anderen als Arbeitswagen eingesetzt. Sie schieden zum Teil erst 1996 aus dem Liniendienst aus.

Die riesige ehemalige Szczecziner Werft ist Hintergrund dieses Fotos, welches an der gleichnamigen Haltestelle ("Stocznia Szczeczinska) entstand. Während die Linie 5 hier wendet, passiert die 6 die Schleife von Gocław kommend in Richtung Zentrum.

 Im Verhältnis zu den Tatra- und Original-Konstal-Wagen bilden die ModerusAlfa eine Minderheit. Hier der Zug aus 507 und 508 an der sehenswerten Feuerwache in der Teofil-Firlik-Straße, von der man hier leider nur den Schlauch- und Trainingsturm erkennen kann.

 Der Plac Grunwaldski ist einer der schönsten Plätze Szczeczins. Mit seiner runden Bebauung vor allem mit Häusern aus der Jahrhundertwende zeugt er von der einstigen Pracht der Stadt. Heute ist der Platz vor allem eine verkehrsberuhigte Oase inmitten des großstädtischen Getümmels.

 Ganz anders der Platz rund um das Hafentor (Brama Portowa, vor dem Krieg Berliner Tor). Das prachtvolle Barocktor ist mit Baujahr 1725-27 noch einmal gute sechs Jahre älter als Potsdams ältestes Tor, das Jägertor. Leider wirkt dieser letzte Rest historischer Bebauung etwas fehl am riesigen Platze. Im Hintergrund die alles dominierende Jakobi-Kathedrale, die 2008 ihren ursprünglichen, im Krieg zerstörten Turmhelm zurück bekam.

Doppeltraktionen aus KT4D sind seit Sommer 2013 Standart in Szczeczin. Zuvor verkehrten die Wagen nur einzeln. Hier der Zug aus 158+159 ebenfalls am Hafentorplatz.

Bevor wir Szczeczin verlassen, hier noch ein Bild des Solo-KT4D 164 vor dem ehemaligen Neuen Rathaus. Das im neogotischen Stil 1875-79 errichtete Gebäude beherbergt heute verschiedene Einrichtungen der Seefahrt.

Mit einem Bild des Zuges aus 105Na 1003 und 1004 am Bahnhof verabschieden wir uns für dieses Mal aus Szczeczin. Do zobaczenia wkrótce.


Donnerstag, 13. Februar 2014

Weitere KT4DM nach Szeged?

 Bald in Ungarn? Angeblich laufen Verkaufsverhandlungen für sieben Potsdamer KT4DM.

Ein Mitglied des Forums "Drehscheibe online" berichtet heute ohne eine Quelle zu nennen, dass die ungarische Stadt Szeged den Ankauf weiterer KT4Dm aus Potsdam plant. Konkret soll es sich hierbei um die Wagen 123, 124, 141, 142, 146, 147 und 162 handeln. Szeged hatte in den Jahren 2004 bis 2009 bereits 13 Potsdamer Fahrzeuge übernommen und noch einmal grundlegend instand gesetzt. Neben den Potsdamer KT4D werden auch Wagen aus Cottbus, Erfurt und Rostock eingesetzt. Der genannte Wagen 124 war bereits 2004 nach Szeged verkauft worden, kehrte allerdings wegen der Combino-Krise noch im selben Jahr nach Potsdam zurück. Derzeit ist er noch mit 123 als Traktion im Einsatz. Die übrigen Wagen sind abgestellt bzw. Reserve. Ein kurzes Comeback erlebten einige von ihnen wegen der Radprobleme der Variobahn im Januar 2014.

Nachtrag von 10:53 Uhr: Nach Hinweis von Adorján Péter (siehe Kommentar unten. Danke!) konnte die Quelle nun ausfindig gemacht werden. Anbei ein Ausschnitt aus dem Vertragsentwurf, der der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt wurde. Das ganze Dokument findet sich hier.


Die Wagen werden für 32.000 - 35.000 € pro Stück verkauft und sollen Mitte April nach Szeged gelangen. Der Verkauf erfolgt über den Potsdamer Zwischenhändler International-Consulting-Handling GbR.

Montag, 10. Februar 2014

Neu Fahrländer Ortsvorsteherin fordert Tram nach Krampnitz

Die Freihaltung einer Straßenbahntrasse zum neu entstehenden Ortsteil in Krampnitz ist zwar bereits beschlossen, weitere Pläne gibt es aber nicht. Nun meldet sich die Ortsvorsteherin von Neu Fahrland, Carmen Klockow in der heutigen PNN zu Wort. Bei aller Freude über die Neubauten, dürfe man nicht vergessen, ein nachhaltiges Verkehrskonzept für diesen Bereich zu entwickeln. Schon heute stoße die Bundestraße 2 an ihre Grenzen von maximal 20 000 Fahrzeugen pro Tag, diese Zahl werde bereits an vielen Tagen überschritten. Daher fordert Klockow neben einer dichteren Taktung der Busse auch die Verlängerung der Straßenbahn in die neuen Ortsteile. Die Potsdamer Stadtpolitik zweifelt die Notwendigkeit einer solchen Verbindung jedoch an.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Variobahn - Ursache der Radprobleme noch nicht entdeckt

 Während die Variobahnen alle wieder in Betrieb sind, geht die Suche nach der Ursache für die Radprobleme weiter.

Die Ursache für die Radprobleme bei der Variobahn konnte noch immer nicht gefunden werden. Wie der ViP Geschäftsführer Martin Griesner der MAZ gestern bereits mitteilte, deute jedoch vieles darauf hin, dass die Firma Stadler hier in der Verantwortung stehe. Griesner schließt nicht aus, dass verschiedene Faktoren ursächlich sind für die leichte Schrägstellung der Räder. Dass das Potsdamer Gleisnetz den Variobahnen so zusetze schloss Griesner aus. Da der Combino, der über eine ähnliche Radaufhängung verfüge wie die Variobahn, von dem Problem nicht betroffen sei, muss eine andere Ursache gefunden werden.

Meist trat an der jeweils dritten Achse, bei einzelnen Zügen aber auch an anderen, eine V-Stellung der Räder auf, die ab einem bestimmten Ausmaß auch zu Entgleisungen hätte führen können. Aus diesem Grund hatte die ViP im Januar fast alle Variobahnen aus dem Verkehr ziehen lassen. Nachdem man den Rad-Schiene-Abstand überprüft und die Räder von neun der 14 Bahnen nachgeschliffen hatte, sind diese nun wieder im Einsatz. Alle 1.000 km bzw. alle drei Tage werden die Wagen erneut überprüft. Solange noch kein Verursacher feststeht, bleibt auch unklar, wer die Kosten für den Ausfall der Bahnen und die Reparaturen bezahlen muss.

Tatra-Bahnen fahren wohl noch zehn Jahre

 Cottbus setzt bei seinen Tatras nicht nur auf Niederflur, sondern macht einige für weitere 16 Jahre fit. Potsdam muss einige seiner KT4Dm nun ebenfalls noch zehn Jahre einsetzen.

Wachsende Fahrgastzahlen, eine expandierende Stadt und immer weniger Geld. Dass das nicht zusammenpasst machten nach Information der PNN die Vip-Geschäftsführer Martin Grießner und Oliver Glaser am Mittwoch deutlich. Zwar stelle die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren rund fünf Milliarden Euro für die deutschen Verkehrswege zur Verfügung, der Bedarf liege allerdings bei mindestens sieben Milliarden Euro. Welchen Teil des Geldes der Bund für den ÖPNV ausgeben will, sei bisher noch gänzlich unklar. Auch das Land Brandenburg gibt sich knauserig: eine Millionen Euro weniger bekommt die Stadt Potsdam in diesem Jahr weniger für ihre Infrastruktur.

Für Potsdam bedeutet dies konkret, dass derzeit alle Erweiterungsprojekte für das Tramnetz infrage gestellt sind. Auch für die Anschaffung neuer, bedarfsgerechter Fahrzeuge ist derzeit kein Geld in Sicht. Daher werden einige der noch in Betrieb befindlichen Tatrawagen vom Typ KT4DM weitere zehn Jahre über Potsdams Gleise rollen. Die tschechischen Bahnen wurde fast alle 1987 gebaut und wurden 1989/90 aus Berlin übernommen. In den Jahren 1994/95 wurden sie grundlegend überholt, im Gegensatz zu anderen Städten verzichtete man in Potsdam aber auf den Einbau eines Niederflurmittelteils. Sollten einige Fahrzeuge tatsächlich bis 2024 durchhalten, hätten sie 37 Jahre auf dem Buckel, selbst für Straßenbahnen ein biblisches Alter.